Was ist der Unterschied zwischen einem "gewöhnlichen Stein" und einem Mineral, zwischen einem Edelstein und einem Heilstein? - Wenn ich zurückdenke, begegnete mir die erste dieser Fragen, als ich acht Jahre alt war. Bis zu jenem Zeitpunkt sammelte ich alle bunten und interessanten Steine einfach ihrer Schönheit wegen. Erst dann erfuhr ich, daß es so etwas wie Mineralien gibt und daß Mineralien aus einem einzigen Stoff oder einer einzigen Stoffverbindung bestehen, während "normale Steine" immer ein Gemisch vieler Bestandteile sind. Diese Besonderheit hob die Mineralien plötzlich aus den gängigen Kieseln heraus, und die Suche galt von nun an allem, was nach Kristall, Mineral oder Edelstein aussah. Die Frage "Wer bist du, Stein?" war geboren. In der Folge sah ich mich sehr bald immer wieder in der Position, daß Verwandte, Freunde und Bekannte mir ihre Fundstücke vorlegten, um zu erfahren, ob denn das gute Stück auch "etwas sei". Wobei sich hinter diesem "etwas" meist die Hoffnung auf einen möglichst wertvoll klingenden Namen verbarg. Ich war natürlich überfordert, aber auch angespornt, mich mehr und mehr in die Mineralogie zu vertiefen und den Steinen nicht nur mit dem Auge, sondern auch mit Ritzbesteck und Strichtäfelchen zu Leibe zu rücken. Eine faszinierende und unschuldige Welt tat sich damals vor meinem jugendlichen Eifer auf, denn im Prinzip war ja jeder dieser Steine "etwas", man mußte eben nur herausfinden, was! Die zweite Frage nach dem Unterschied zwischen einem Edelstein und einem Heilstein begegnete mir erst dreizehn Jahre später. So wie die Information, was ein Mineral ist, im Alter von acht Jahren das Hobby des Steinesammelns in die Leidenschaft des Mineraliensammelns verwandelte, so verwandelte das Erlebnis, daß Mineralien heilen können, mein Interesse im Alter von 21 Jahren erneut: Aus dem Sammeln der Mineralien wurde das Sammeln von Informationen und Erfahrungen mit der Heilkraft der edlen Steine. Die Frage "Was kannst du, Stein?" war geboren. Und auch hier tat sich erneut eine faszinierende und unschuldige Welt auf, denn im Prinzip konnte ja jeder Stein "etwas", man mußte eben wiederum nur herausfinden, was! Mit diesem neuen Thema fanden auch viele neue Mineralien Einzug in meine Sammlung, und auch neue Formen wurden erstmals interessant: Hatte ich mich bis dato nur mit Rohmineralien beschäftigt, so gelangten nun die ersten Trommelsteine, Ketten und Schmuckstücke in meine Hände. Es war kein einfaches Unterfangen, alle in der heilkundlichen Literatur beschriebenen Heilsteine zu finden, so daß im Laufe der Jahre die Idee entstand, aus der Not eine Tugend zu machen und selbst einen Mineraliengroßhandel zu gründen, um speziell Heilsteine in einem umfassenden Sortiment anzubieten. Gesagt, getan - so wurde im Februar 1990 die Firma Karfunkel gegründet. Der Handel zerstörte sehr schnell die bis dahin bestehende unschuldige Welt des Mineraliensammelns und der Steinheilkunde. Je mehr Einblick ich durch meine Tätigkeit in die Förderung und Verarbeitung von Mineralien und Edelsteinen gewann, desto kritischer wurde meine Haltung gegenüber den auf dem Markt angebotenen Steinen und gleichzeitig auch gegenüber den so weltfremd abgehobenen, inzwischen jedoch um so mehr verbreiteten esoterischen Philosophien der Edelsteintherapie. Vor allem war ich erstaunt, wie wenig sowohl Mineralogen als auch Edelsteintherapeuten über die tatsächlichen Vorgänge auf dem Mineralienmarkt informiert sind. Aus diesem Grund entstand schon während der Arbeit an dem Handbuch "Die Steinheilkunde" das Bedürfnis, in einem zweiten Werk nicht von der Heilkunde, sondern speziell von den Heilsteinen zu berichten. "Was ist der Unterschied?" wurde ich in der Zwischenzeit oft gefragt, so daß ich vor allen anderen Ausführungen dieser Frage noch Raum im Vorwort geben möchte: Der Unterschied zwischen dem Wissensgebiet Steinheilkunde und dem Wissensgebiet Heilsteine ist vergleichbar mit dem Unterschied zwischen Medizin und Pharmazie. Während der Arzt die therapeutische Wirkung seiner Arznei kennen muß, beschäftigt sich der Apotheker mit der Arznei selbst, ihrer Gewinnung, Beschaffung und gegebenenfalls auch Herstellung. Wenn wir diesen Vergleich einmal auf die Literatur der Steinheilkunde übertragen, so zeigt sich erstaunlicherweise, daß es über 100 Werke zum Heilen mit Steinen gibt, jedoch kaum eines, das über die zur Beschaffung und Bereitstellung der Heilsteine wichtigen Fragen aufklärt: Wie lautet der korrekte Name eines Heilsteins und unter welcher Bezeichnung erhalte ich ihn im Handel? Wie entsteht der Stein und welche Eigenschaften der Mineralien sind für die Heilkunde wichtig? Wie können Heilsteine sicher bestimmt, Verwechslungen vermieden und Fälschungen identifiziert werden? Wozu wird das Mineral üblicherweise verwendet und welche Heilwirkungen und Indikationen sind bekannt? - Alle diese Fragen sind für den sicheren Umgang mit Heilsteinen von elementarer Bedeutung, denn - einmal ganz schlicht gefragt - was haben Sie davon, wenn Sie einen Larimar suchen und Ihr Händler nicht weiß, daß damit ein blauer Pektolith gemeint ist? Oder wenn Sie einen Smaragd brauchen und mit einem grün gefärbten Achat nach Hause kommen? Wer die Steinheilkunde praktizieren will, kommt an der Thematik Heilsteine nicht vorbei, denn nur wenn das richtige Hilfsmittel für den richtigen Zweck verwendet wird, kann eine Therapie erfolgreich sein. Daher soll das Lexikon der Heilsteine nun diese Lücke füllen und alle wichtigen Informationen zu den Heilsteinen zusammentragen. Es ist gedacht als Nachschlagewerk für alle, die mit Heilsteinen arbeiten oder sich aus privater Initiative damit beschäftigen. Das Lexikon bietet neben den grundlegenden mineralogischen und heilkundlichen Eigenschaften der Mineralien erstmals auch ausführliche Informationen über Fälschungen und Verwechslungsmöglichkeiten sowie einen umfassenden Index der Mineraliennamen, der die Identifikation aller derzeit bekannten Heilsteine ermöglicht. Ich bin heute sehr dankbar, daß sich zu den 24 Jahren Mineraliensammeln und den elf Jahren Steinheilkunde auch die sieben Jahre Mineralienhandel gesellt haben, denn nur so ist es mir möglich geworden, alle diese Informationen zu sammeln, zu verbinden und zur Verfügung zu stellen. Nachdem ich mich in diesem Jahr wieder aus dem aktiven Mineralienhandel zurückgezogen habe, hoffe ich, mit diesem Buch noch einen Beitrag leisten zu künnen, daß die richtigen Heilsteine in die Hände derer gelangen, die sie suchen. Dem lexikalischen Teil dieses Buches möchte ich eine kurze Einführung in die Mineralogie und Steinheilkunde voranstellen, in welcher auch jene Begriffe geklärt werden, die in den Beschreibungen der einzelnen Heilsteine als Fremdwürter unerklärt auftauchen künnen. Um Ihnen die Arbeit mit den im Hauptteil folgenden Darstellungen zu erleichtern, möchte ich Sie bitten, diese Einführung vorweg zu studieren. Sollte sie Ihnen zu kurz sein, verweise ich hiermit natürlich gerne auf mein beim Verlag Neue Erde erschienenes Buch "Die Steinheilkunde". Dort ist vor allem die Heilkunde ausführlich geschildert, hier sollen ja in erster Linie die Heilsteine zu Wort kommen bzw. ins Visier genommen werden. Das hat für Sie der Fotograf Wolfgang Dengler bereits in hervorragender Weise erledigt, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich danken möchte. Ein weiteres Dankeschün müchte ich außerdem all jenen aussprechen, die aktiv und engagiert zum Entstehen dieses Lexikons beigetragen haben: Meinem Verleger, Herrn Gerhard Kupka, danke ich für die Geduld mit seinem eigenwilligen Autoren und dafür, daß er das stetig wachsende Projekt bis zu dessen Vollendung mitgetragen hat. Herrn Marco Schreier aus Ludwigsburg und Herrn Dieter Jerusalem aus Herborn danke ich für die vielen Tips und Hintergrundinformationen zum Mineralienhandel und den aktuellen Fundgebieten, Herrn Jens Schmidt aus Ulm für den kritischen Blick und die konstruktiven Ratschläge zu den wissenschaftlichen Grundlagen und der Mineralogie der Heilsteine. Ein ganz besonderes Dankeschön geht auch an Herrn Bernhard Bruder, Geschäftsführer des Instituts für Edelsteinprüfung (EPI) in Ohlsbach, der mir bei der gesamten Recherche des Lexikons half und meine Kenntnisse über Manipulationen und Fälschungen von Steinen auf den neuesten Stand brachte. Ebenso an Herrn Hintze von der Firma Jentsch in Extertal und Herrn Claus Hedegaard aus Faarvang, Dänemark, die mir eine Fälle von Hinweisen zur Überarbeitung der dritten Auflage zukommen ließen. Weiterhin möchte ich Frau Elaine Vijaya und Herrn Fred Hageneder von Dragon Design, England, herzlich für ihre Fähigkeit danken, aus meinen hieroglyphenähnlichen Skizzen hervorragende Grafiken zu zaubern, sowie Frau Monika Siegmund, Grafikerin aus Köln, für die gelungene Gestaltung des Lexikons. Abschließend möchte ich jedoch vor allem Herrn Walter von Holst aus Stuttgart und jenen Mitgliedern des Steinheilkunde e.V. Stuttgart danken, die die Tätigkeit von derzeit 20 Forschungsgruppen zur Steinheilkunde initiierten und koordinieren und damit eine großartige Pionierarbeit zur Entwicklung der Steinheilkunde leisten. Ich hoffe, dieses Lexikon ist Ihnen und allen Lesern eine echte Hilfe bei der Arbeit mit Heilsteinen.Tübingen, im Sommer 2000Michael Gienger